Chronik 1900-2000

100 Jahre Vereinsgeschehen kann man nicht mit wenigen Sätzen auf ein paar Seiten Papier umfassend wiedergeben. So kann nur versucht werden, aus den vorhandenen pro- tokollarischen Niederschriften von Mitglieder- und Vor- standsversammlungen den Werdegang unserer Karne-valsgesellschaft chronologisch zu schildern.

 

Mit dem Bäckermeister Paul Diefenthal aus Kleinvernich begann die Geschichte der Vernicher Karnevalsgesellschaft. Als Gründungsmitglied im Jahre 1900hat er 19 Jahre lang die Geschicke des Kleinvernicher Karnevals gelenkt. Der 1. Präsident Paul Diefenthal, dem in der langen Vereins-geschichte noch 8 Präsidenten folgten, legte mit seiner Arbeit den Grundstein für den erfolgreichen ‚Lebenslauf’ der KG ‚Mer gon vör’.

 

 

Am 11.11.1900 trafen sich engagierte Bürger aus Kleinvernich in der Schankwirtschaft Hubert Deustermann und gründeten aus einem Sparverein die Karnevals-gesellschaft Kleinvernich. Zweck der Gesellschaft war es, das Leben und Treiben des Karnevals zu organisieren und dafür Sorge zu tragen, Dass alles im Rahmen des An- standes gehalten wurde. Aus der Gründerzeit sind keine Vereinsprotokollbücher mehr erhalten geblieben, sodass im Wesentlichen auf Pressemitteilungen zurückgegriffen werden muss. Handgeschriebene Statuten des Vereins vom 12. Februar 1927 sind vorhanden. Der Vorstand bestand damals aus 11 Personen. Dieser Personenkreis bildete gleichzeitig den Elferrat. Neben dem Vorstand waren noch 17 aktive Mitglieder eingetragen. Präsident war Peter Schwingeler sen.; Johann Zock war dessen Stellvertreter. Das Stammlokal war der Gasthof Wwe. Josef Schäfer, die heutige Gaststätte ‚Zum Dom’. Stolz sind die Vernicher Karnevalsmitglieder besonders darauf, dass die Gesellschaft nie völlig von der Bildfläche verschwand. Auch während der beiden Weltkriege wurden die Fahnen des Karnevals hochgehalten. Bis nach dem 2. Weltkrieg gab es nur die Präsidenten Diefenthal und Schwingeler sen. Von diesen beiden Karnevalisten wurden viele interessanten Dinge Überliefert, z. B. entstand der Vereinsnahme ‚Mer gon vör’ so:

 

 

Auch in Großvernich hatte sich um die Jahrhundertwende aus dem Theaterverein ein eigener Karnevalsverein Großvernich gebildet. Als im Jahre 1904 erstmals ein gemeinsamer Umzug durch Klein- und Großvernich stattfinden sollte, musste das Los darüber entscheiden, welcher Verein vorneweg marschieren durfte. Die Kleinvernicher KG siegte und wird seither ‚Mer gon vör’ (wir gehen vor) genannt.

 

 

Die Großvernicher Karnevalsgesellschaft wollte offensichtlich nicht lange hinterherlaufen und hat sich schon in den zwanziger Jahren aufgelöst. Die Kleinvernicher KG hat im Oktober 1947 bei der Militärregierung die Genehmigung zur Weiterführung von ‚Mer gon vör’ beantragt. Gemäß Mitteilung des Herrn Oberkreisdirektors in Euskirchen vom 13.11.1947, Abt. V, hat die Militärregierung die weitere Betätigung der Gesellschaft genehmigt. Im Nachgang zu diesem Schreiben teilte der OKD am 23.01.1948 dem Herrn Amtsdirektor in Weilerswist mit, dass die Vorstandsmitglieder nach Mitteilung des Hauptentnazifizierungsausschusses in Kategorie V eingestuft würden und somit keine Bedenken gegen sie beständen. Die 1. Karnevalssitzung nach dem 2. Weltkrieg fand am 25.01.1948 in Kleinvernich statt. Der langjährige Präsident Peter Schwingeler sen. Übergab die Geschäfte an seinen Sohn Peter. Der 11.11.1948 wurde gefeiert. Am 06.02.1949 wurde im Vereinslokal Schäfer eine Karnevalssitzung abgehalten. Mit Franz II. (Franz Scholzen) ging 1949 ein Rosenmontagszug durch die Straßen von Klein- und Großvernich. Die 1. Kindersitzung unseres Vereins fand 1949 am Karnevalsdienstag statt.

 

 

In den folgenden Jahren hatte die KG jeweils eine Tollität, oft mit Prinzessin, aufzuweisen, im Jahre 1973 mit den Brüdern Breidenbach das 1. Dreigestirn und im Jahre 1990 mit Prinzessin Erika I. (Ebersbach) die erste Prinzessin der Vereinsgeschichte.

 

Am 8.Januar 1950 fand die Jubiläumssitzung zum 50jährigen Bestehen unserer Karnevalsgesellschaft statt. Zugleich wurde der einzige noch lebende Mitbegründer unserer Gesellschaft, Herr Werner Bönner aus Kleinvernich, mit der feierlichen Überreichung einer Urkunde zum Ehrenmitglied ernannt. Die Sitzung wurde ausschließlich mit eigenen Kräften gestaltet. Die Jubiläumssitzung, so berichtet die Rundschau, war ein einmaliges Erlebnis für Karnevalisten und Besucher.

 

Für die auftretenden Kräfte im Vernicher Karneval gab die Jubiläumssitzung Auftrieb, Mut und Elan. Von jetzt an war der Durchbruch geschafft. Vernich entwickelte sich in kurzer Zeit zur Hochburg im Karneval. Die Gesellschaft ist durch ihre Leistungen weit über die Gemeindegrenzen bekannt geworden. Diese Leistungen beruhen auf einer vorbildlichen Kameradschaft und einer einmütigen Zusammenarbeit, so Bürgermeister Peter Vey im Geleitwort zum 60jährigen Bestehen.

 

Fortan kümmerte sich die KG um eine aktive Jugendarbeit, die ja bei der einzigen Kindersitzung im Kreis Euskirchen schon bestand. Unter Präsident Heinz Breuer wurde am 07.09.1952 das Tanzcorps ‚Erftflotte’ gegründet, deren Leiter Heinz Zahn wurde. Die ‚Erftflotte’ hatte Riesenerfolge im ganzen Kreis Euskirchen sowie im Kölner Raum. Unter Heinz Zahnwurde auch eine Kindertanzgruppe der ‚Erftflotte’ gegründet. Die Kinder waren mit Begeisterung dabei und hatten große Erfolge überall da, wo sie ihre tollen Tänze vorführten.

 

 

‚Solang in Vernich wir leben, soll es Karneval geben.’

 

So steht’s geschrieben in der Festschrift zum 60jährigen Bestehen der KG ‚Mer gon vör’

„Was 60 Jahr’ erhalten, das wollen wir gestalten. Die Alten, ja die kennen’s noch, die Jungen aber lernen’s noch.“

Die KG ‚Mer gon vör’, wieder mit Präsident Peter Schwingeler, hatte 1960 insgesamt 39 aktive Mitglieder. Dazu zählen 8 Ehrenmitglieder. Das Tanzcorps ‚Erftflotte’ wurde mit 15 Mitgliedern geführt.

 

Die Karnevalsgesellschaft öffnete sich für ganz VERNICH und erhielt den Namen: KG ‚Mer gon vör’ VERNICH.

 

Der heutige Ehrenpräsident Peter Bönner trat 1959 in die KG ein und wurde mit Peter Schwingeler gemeinsamneuer Sitzungspräsident in Vernich, jeder leitete eine Hälfte der Sitzung. Im Jahre 1962 übertrug der Verein Peter Bönner als Prinz Peter VII. die Prinzenwürde. Dies ist auch das Gründungsjahr des vom Präsidenten Peter Schwingeler gegründeten ‚Schrübberballett’. Die Gruppe hatte mit ihren urkomischen Tänzen und Darbietungen die Herzen der besucher im Sturm erobert. Sie wurden überall mit stürmischem

Beifall empfangen.

 

Eine Besonderheit löste die Prinzenfrage 1966 aus. Damals wurde der 19jöährige Friedel Hunkirchen Prinz von Vernich und war laut „Bildzeitung“ der jüngste Prinz der Bundesrepublik.

 

Das Protokoll berichtet von einer Sitzung am 1. Februar 1969. Dies war eine der schönsten und eindrucksvollsten Sitzungen, die bis dahin bekannt waren. Auch die Freunde aus „Gemmenich/Belgien waren zu Gast.

 

In der Session 1969/70 wurde das 70jährige Vereinsbestehen mit einem großen Festackt begangen. Der langjährige Schriftführer der Gesellschaft, Peter Loosen, wurde für 50jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet.

 

Ebenfalls 50 Fahre dabei:

Ehrenpräsident Hermann Jansen sowie die inaktiven Mitglieder Theo Vey (Köln), Josef Fuhs, Caspar Christ und Johann Steinheuer.

 

Die 70er Jahre wurden mit der Wahl von Peter Bönner als KG-Präsident eingeläutet. Die ‚Erftflotte’ feierte ihr 20jährigen Bestehen. Nachbarcorps kamen und feierten mit. Im Jahre 1968 hatte es zwischen Vernich und Weilerswist Verhandlungen über einen gemeinsamen Karnevalsverein gegeben, so steht es im Protokoll vom 29.11.1968!

Wie wir alle wissen, kam alles ganz anders. 1970 wurde die KG Blau-Gold-Weilerswist gegründet. Jakob Breuer, Kulturdezernent der Gemeinde, wurde 1. Präsident.

 

 

Die KG Vernich hatte beim 70jährigen Bestehen 50 aktive und 10 inaktive Mitglieder. Außerdem wurden 5 Ehrenmitglieder geführt. Im November 1970 fand in Kleinvernich ein Tanzcorpstreffen statt. Die KG hatte in dieser Zeit die Tanzgarde ‚Erftflotte’ und ein Kindertanzcorps unter der Leitung von Franz-Josef Tiefenthal. Die Kindertanzgruppe verbesserte sich von Jahr zu Jahr und tanzte in diesem Jahr sogar im Kölner Karneval. Auch in den 70er Jahren wurde in Vernich, trotz der Konkurrenz aus Weilerswist, kräftig Karneval gefeiert. Vernich war nd blieb eine Hochburg des Karnevals. So wurde das 75jährige Jubiläum mit Prinz Gotthard I. (Konrad) und mit den Nachbargesellschaften aus Weilerswist, Lommersum, Metternich und Müggenhausen ganz groß gefeiert. In seinem Grußwort sagte der Präsident von Weilerswist, Paul Petry, u.a.: „Ihr Vernicher seid doch eine echte Familiengesellschaft und pflegt Geselligkeit, Humor und Frohsinn noch in der althergebrachten Weise!“ Friedrich Schmitt und Josef Esser schrieben: „Durch ein dreiviertel Jahrhundert vielfältiger deutscher Geschichte hin verstand es die KG ‚Mer gon vör’, in freudiger Tätigkeit ihr Bestehen zu erhalten, ja noch auszubauen.“

 

 

Doch nicht immer verlief alles wunschgemäß.

Hatte doch die Gesellschaft seit Kriegsende jedes Jahr einen neuen Prinzen benennen können, so stand man im Jahr 1977 erstmals ohne Narrenherrscher da. Die Veranstaltungen nahmen trotzdem ihren Lauf. So berichtete die Rundschau: Prinzenthron leer, Stimmung grandios. Der Stadtanzeiger Schrieb: Kein Prinz aber ein kleiner Gesangstar. Gemeint war die kleine Karin Wiskirchen, die ihr Debüt gegeben hatte.

 

Im Jahr 1979/80 wurde mit dem Dreigestirn Prinz Didi I. (Schneider), Jungfrau Josi I. (Kleusch) und Bauer Addi I. (Zilleken) eine neue Epoche in ‚Mer gon vör’ eingeläutet. Die Bewirtungsschwierigkeiten im Vereinslokal ‚Zum Dom’ Ende der 70er Jahre veranlasste unsere Gesellschaft in die Erft-Swist-Halle zu wechseln. Die Veranstalter taten einen guten Griff. Die Proklamationssitzung war ausverkauft. Für das Vernicher Dreigestirn gab es einen grandiosen Empfang. Doch offensichtlich war den Vernichern der Weg nach Weilerswist zu ‚weit’; zumal die Feier wieder ohne Prinz Stattfand. Die Sitzung am 12.01.80 in Weilerswist hatte nur 250 Besucher, trotz eines guten Programms, welches von Rolf Albrecht vom Bund Deutscher Karneval präsentiert wurde.

 

Interne Ereignisse führten dazu, dass im Jahr 1980 die KG eine neue „Spitze“ wählen musste.

So wurde Arnold Müller zum Vorsitzenden und Hans Schumacher zum Sitzungspräsidenten gewählt. Es wurde festgelegt, dass alle Sitzungen wieder in Kleinvernich stattfinden sollten. Im November des Jahres verzichtete der neue Vorstand auf die traditionelle Sitzung und veranstaltete stattdessen einen großen Variete- und Showabend.

 

Am 16. Januar 1981 wurde das Jugendprinzenpaar Uwe Theimer und Birgit Lörgen vorgestellt. Die beiden wurden vom Tanzcorps ‚Schiff Ahoi’ begleitet. Sie brachten tolle Stimmung in alle Veranstaltungen. Die KG hatte nach einem Jahr Pause wieder ein Prinzenpaar.

 

Das allseits beliebte ‚Schrübberballett’ feierte das 30jährige Bestehen. Plötzlich verstarb deren Leiter, Altpräsident Peter Schwingeler, im Alter von 72 Jahren. Ein Nachfolger konnte mit Franz-Josef Tiefenthal gefunden werden. Bei den Sitzungen in Vernich brachte das ‚Schrübberballett’ noch einige Tänze.

 

Völlig überraschend stand Sitzungspräsident. Hans Schumacher bei den Neuwahlen des Vorstandes 1982 nicht mehr zur Verfügung. Peter Bönner übernahm wieder das Amt und leitete fortan die Sitzungen der KG Vernich.

 

So kam es dann, dass der KG-Präsident Arnold Müller die Durchführung einer Damensitzung und zwar parallel zur Herrensitzung von Weilerswist vorschlug. Im Jahr 1984 fanf unter der Präsidentschaft von Karola Dänner die 1. Damensitzung statt.Die veranstaltungen waren und sind bis heute ein voller Erfolg. Dazu trug auch die Tanzgruppe ‚Vernicher Domspatzen’ unter der Leitung von Doris Gallert bei.

 

Im Jahr 1984 reichte die KG Vernich beim Amtsgericht Euskirchen eine neue Satzung ein und wurde ins Vereinsregister eingetragen.

 

Nach dem Tod der Vereinswirtin stand uns bald der Saal der Gaststätte ‚Zum Dom’ nicht mehr zur Verfügung. Wir mussten in ein Zelt neben dem Sportplatz ausweichen. Auch in den 80er Jahren wurden noch viele Sitzungsprogramme mit einheimischen Kräften gestaltet. Die tanzgruppe ‚Schiff Ahoi’ war in bester verfassung und aus den ‚Domspatzen’ wurde das ‚Gala-Show-Ballett’. Die jungenDamen waren in jeder Sitzung zu sehen und hatten unzählige Auftritte im Köln-Bonn-Koblenzer-Raum. Unter Führung von Frau Milz und Frau Erbstößer konnte das ‚Gala-Show-Ballett’große Erfolge verbuchen und wurde zu einem Publikumsmagneten.

 

Ein weitere Glanzpunkt war die jährliche Kindersitzung. Unter Mitwirkung der Schule und des Kindergartens ist bis zum heutigen Tag jede Veranstaltung bis auf den letzten Platz gefüllt.

 

Auch der Rosenmontagszug durch Klein- und Großvernich ist unter der Mitwirkung der Vereine und großer Teile der Bevölkerung ein nicht mehr wegzudenkendes Ereignis.

 

Im Oktober ging für unseren Ort und die Vereine ein langgehegter Wunsch in Erfüllung: die Tomberghalle wurde eingeweiht. Wir konnten das Zelt verlassen und das neue Domizil nutzen. Schon für den November 1993 war die 1. Herrensitzung der KG fest im Programm. Am 27.11. war der Start vor einem ausverkauftem Haus. Die Sitzungspräsidenten Peter Bönner und Jakob Mießeler aus Euskirchen (letztere hatte eigens für diese 1. Herrensitzung ein tolles Programm zusammengestellt) führten in altbewährter Art durch die Darbietungen.

 

Seitdem wird die Herrensitzung in jedem Jahr am letzten Samstag im November durchgeführt.

Schon bei der ersten Großveranstaltung stellte sich heraus, das die Organisation und die Vereinsstruktur neu überdacht werden musste. Erste Erfahrungen wurden ausgetauscht. Man war sich einig: „Dieser vorstand kann all diese Aufgaben nicht mehr leisten!“ Er musste auf 11 verschiedene Ämter mit unterschiedlichen Arbeitsbereichen erweitert werden. So geschehen in der Hauptversammlung am 29.04.1994. Literat Jakob Mießeler ist nach wie vor für die Programme einer jeden Veranstaltung verantwortlich. Die Sitzungen werden inzwischen fast ausschließlich mit ‚Fremdkräften’ bestritten. Die Organisation wurde von Jahr zu Jahr perfekter. Mit der Zeit hat sich die Karnevalsgesellschaft gewandelt. Jedes aktive Mitglied, egal ob Damen oder Herren, hat seine feste Aufgabe. Nur gemeinsam sind wir stark. Viele neue Mitglieder haben sich in den letzten Jahren bei unserer KG angemeldet. Der Vorstand hat sich im Laufe der Zeit stark verjüngt. Mit Hans-Josef Thelen bekam der Verein 1997 einen neuen Präsidenten und mit Karl Leyendecker einen neuen Sitzungspräsidenten. Durch die Damensitzung führte Marlies Böhne.

 

Hoffnungsvoll gehen wir in das neue Jahrtausend. Dazu wünschen wir uns, dass die KG ‚Mer gon vör’ Vernich noch viele Jahre seine Arbeit zur Freude der vielen Fans von nah und fern fortführen kann.